Warum man in Bayern nicht Tschüß sagt

Wenn sich zwei Bayern voneinander verabschieden, fallen in der Regel für jedermann verständliche Worte wie Ciao oder Servus. Das im übrigen Deutschland gebräuchliche „Auf Wiedersehen“ ist in Bayern zu „Auf Wiederschaun“ mutiert. Das urbayerische „Pfiadi“ stößt in manchen Bundesländern bereits auf Abschreckung und Unverständnis. Warum aber sagen die Bayern eigentlich nicht einfach „Tschüß“ wie überall in Deutschland?

Bekanntlich mögen die Bayern ja jeden, nur keine Preußen und Österreicher. So könnte man meinen, dass das Wort „Tschüß“ ein preußischer Begriff ist und er deshalb nicht in Bayern verwendet wird. Aber es gibt einen triftigeren Grund, weshalb einem Bayern das Wort „Tschüß“ so schwer über die Lippen geht: In der bayerischen Sprache gibt es den Umlaut „ü“ gar nicht!

Wie bitte? In der bayerischen Sprache gibt es kein „ü“? Das kann doch gar nicht sein, es gibt doch fast unendlich viele Wörter, die ein „ü“ enthalten, oder? Wie heißt nochmals die Hauptstadt von Bayern...?

Fühlen wir der bayerischen Sprache mal auf den Zahn, was den Vokal „ü“ betrifft und wir werden sehen, dass der Bayer tatsächlich immer einen Weg findet, dem „ü“ aus dem Weg zu gehen. In der bayerischen Sprache gibt es nämlich mehrere Phonetikregeln, die bestimmen, wie das geschriebene „ü“ in der Sprache klingen muss.

Regel 1:

Im einfachsten Fall wird der Umlaut „ü“ einfach durch den ähnlichen Umlaut „u“ ersetzt. Das dürfte auch Auswärtigen keine allzu großen Umstellungsschwierigkeiten bereiten.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch „u“

drücken                          drucka
Mücke
                            Muggn
hüpfen
                            hupfa
Brücke
                           Bruggn

Regel 2:

In vielen Fällen wird der Umlaut „ü“ durch den in der bayerischen Sprache ohnehin viel gebrauchten Umlaut „i“ ersetzt. Auch diese Regel ist in der Praxis schnell umsetzbar.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch „i“

Schüssel                        Schissl
Krüppel
                          Gribbe
Dübel
                              Dibe
München
                        Minga
Büffel
                              Biffe
Tüftler
                             Diftla
Strümpfe
                        Strimpf
Hütte
                               Hittn

Regel 3:

Mit der dritten Regel haben vor allem Preußen ihre Mühe. Hier wird der Umlaut „ü“ nämlich durch eine Kombination zweier Umlaute ersetzt. Man beginnt mit einem schrillen „i“, welches man schleifend in ein „a“ rüberzieht.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch „ia“

müde                             miad
Hosentürchen
               Hosndial
Kühe
                              Kiah
süß
                                 siaß
Füße
                              Fiaß
gemütlich
                      gmiatlich
Schürze
                        Schiazl

Regel 4:

Ähnlich wie bei Regel 3 wird auch hier der Vokal „ü“ durch eine Kombination zweier Standard-Vokale ersetzt. Die Aussprache des „u“ und „i“ muss in einer einzigen Mundbewegung erfolgen. Da diesen beiden ineinander gezogenen Umlauten meist noch ein „n“ folgt, tun sich viele Erstklässler der bayerischen Sprache besonders schwer mit dieser Regel.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch „ui“

kühlen                            kuihn
Mühle
                             Muih
zerknüllen
                      zerknuin
füllen
                              fuihn
Gefühl
                            Gfuih

Regel 5:

Die schwierigste und selten gebrauchte Regel wandelt den Vokal „ü“ in die beiden Vokale „e“ und „a“ um. Nach Regel 5 ausgesprochene Wörter werden außerhalb Bayerns nur noch in Einzelfällen verstanden.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch „ea“

grün                                grea
Blümchen
                      Bleamal

Regel 6:

Ist auf ein Wort, welches ein „ü“ enthält keine der Regeln 1-5 anwendbar, so wird das Wort durch ein neues ersetzt. Bayerisch-Lernende müssen hier ganz einfach Wörter pauken, genau so als würde man französisch oder spanisch lernen.

Hochdeutsch „ü“           Bayerisch neues Wort

küssen                           bussln
pflücken
                         brogga
Pfütze
                            Logga
Rücken
                          Buckl
Lümmel
                         g´scherter Lackl
Gülle
                              Odl
Hühnchen
                      Hendl

Man sieht, dass der Bayer mit allen Mitteln versucht, dem „ü“ aus dem Weg zu gehen. Dem Bayer behagt es nicht, seinen Mund zu spitzen. Vielleicht liegt das natürlich daran, dass er im Vergleich zu anderen Deutschen seinen Mund öfters mal zum Bier Trinken spitzt...

 

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